Anders als im Strafprozess oder in Verwaltungsverfahren gilt im Zivilprozess der sogenannte Beibringungsgrundsatz: Kläger müssen ihre Behauptungen beweisen, Beklagte diese Behauptungen widerlegen können. Negative Tatsachen – etwa die Behauptung, dass etwas nicht eingetreten ist – sind schwer zu belegen und führen deshalb gegebenenfalls zur Beweislastumkehr.
Der Beibringungsgrundsatz als Prozessmaxime im Zivilverfahren
Im Zivilverfahren obliegt es den beteiligten Parteien, alle notwendigen Belege für ihre Behauptungen und somit für die Entscheidungsfindung des Gerichts beizubringen. Die Beweislast im Zivilprozess trifft also Kläger wie Beklagte. Nicht alle Tatsachen müssen aber bewiesen werden. Die Beweislast gilt nur für Tatsachenbehauptungen, die von der beweisbelasteten Partei vorgetragen werden, die für die Entscheidung wesentlich sind, und die vom Prozessgegner bestritten werden.
Im Zuge des Beweisverfahrens müssen die prozessbeteiligten Parteien die Beweise für ihre Behauptungen vortragen. Nicht alles und jedes ist aber als Beweismittel geeignet – die zulässigen Beweismittel sind in der Zivilprozessordnung festgehalten:
- Sachverständige
- Augenschein
- Parteivernehmung
- Urkundenbeweis und
- Zeugenbeweis
Vom Gericht wird zunächst die sogenannte Beweisverfügung erlassen. Dabei wird den einzelnen Parteien die Beweispflicht für bestimmte Tatsachen auferlegt und auch festgestellt, welche angebotenen Beweise zugelassen werden. Im Anschluss daran erfolgt die Beweisaufnahme durch das Gericht. Dabei können zum Beispiel Zeugen einvernommen, Gutachten angefordert oder ein sogenannter Augenschein, die Begutachtung eines Streitgegenstandes in Anwesenheit der Parteien, durchgeführt werden.
Feststellungen, die das Gericht während der Beweisaufnahme macht, werden festgehalten und den Streitparteien zur Stellungnahme vorgelegt. Nach Abschluss des Beweisverfahrens beginnt das Gericht mit der Urteilsfindung.
Beweislast im Zivilprozess und Beweislastumkehr: Was bedeutet das?
Das Prinzip der Beweislast im Zivilprozess, das besagt, dass jeder Prozessbeteiligte für das Belegen von Behauptungen verantwortlich ist, hat aber auch eine Kehrseite:
Der Beweis dafür, dass etwas aus Verschulden des Prozessgegners eingetreten ist oder ohne sein Zutun nicht eingetreten wäre, ist mitunter schwer zu erbringen.
Es ist aus diesem Grund in manchen Fällen – auf richterliche Anordnung – zulässig, die Beweislast im Zivilprozess umzukehren. Ein klassisches Beispiel dafür ist der Bereich der Produkthaftung, wo ein Kläger, der durch ein fehlerhaftes Produkt einen Schaden erlitten hat, zwar beweisen muss, dass dieser Schaden entstanden ist und dieser ursächlich mit dem Produkt in Zusammenhang steht, nicht aber, ob den Hersteller ein Verschulden an dem entstandenen Schaden trifft. Hier wird davon ausgegangen, dass der Kläger diesen Beweis unmöglich erbringen kann: Es liegt eine unzumutbare Beweisnot vor. Die Verpflichtung zur Beweisführung, dass das beanstandete Produkt nicht schadhaft war, trifft somit den Hersteller.
Ein Beispiel aus der Praxis: Die Arzthaftung
Sehr häufig findet eine richterlich angeordnete Beweislastumkehr auch in Prozessen statt, in denen es um behauptete Behandlungsfehler eines Arztes geht. Für den Kläger ist es oft unmöglich zu beweisen, dass eine bestimmte therapeutische Handlung eines Arztes (oder auch der Verzicht auf eine bestimmte Intervention) zu einer Gesundheitsschädigung beziehungsweise zum Ausbleiben einer wahrscheinlichen Heilung geführt hat.
Hat ein Arzt beispielsweise auf eine ausreichende Patientenaufklärung verzichtet, Behandlungen durchgeführt, die offensichtlich nicht „state of the art“ sind, fehlerhafte Geräte verwendet oder durchgeführte Behandlungen unzureichend dokumentiert, sind die Bedingungen für eine Umkehr der Beweislast erfüllt. Es liegt dann am beklagten Arzt, zu beweisen, dass seine Behandlung nicht Ursache für den entstandenen Schaden des Patienten war.
Zivilprozess: Gute Vorbereitung bringt Pluspunkte
Um in einem Zivilverfahren gute Karten zu haben, ist es unumgänglich, valide Beweise für behauptete Tatsachen beischaffen zu können, da die Beweislast die Prozessbeteiligten trifft. Im Fall des Falles können das rechtzeitige Dokumentieren von Vorfällen, die Aufbewahrung wichtiger schriftlicher Unterlagen sowie die Kontaktdaten möglicher Zeugen zu einer wertvollen Unterstützung im Verfahren werden.
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