Noch bis vor wenigen Jahren war ganz klar: Jeder Diebstahl am Arbeitsplatz führt unweigerlich zur fristlosen Kündigung, denn das Vertrauensverhältnis kann als dermaßen angeschlagen betrachtet werden, dass dem Arbeitgeber eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nicht mehr zugemutet werden kann. So sieht auch die Gesetzeslage laut Bürgerlichem Gesetzbuch grundsätzlich aus, dennoch haben einige Fälle in den letzten Jahren für Aufsehen gesorgt, in denen die Gerichte keine Begründung für eine fristlose Kündigung wegen Diebstahl sehen konnten.
Der Bäckereifahrer und die Remoulade
Der erste hier vorgestellte Fall ist der eines Bäckereifahrers, der sich in einer angefahrenen Filiale ein Brötchen gekauft hat und dieses dann mit einem Brotaufstrich aus der Filiale bestrichen hat. Für den Arbeitgeber war dies ganz klar ein Fall von Diebstahl, er erhielt die fristlose Kündigung wegen Diebstahl.
Der Fahrer selbst sah sich aber nicht im Unrecht und zog vor Gericht. Und tatsächlich bekam er Recht, die fristlose Kündigung war eine überzogene Reaktion auf die Entwendung eines Brotaufstriches im geschätzten Wert von unter 5 Cent. Eine Abmahnung wäre in diesem Falle ausreichend gewesen.
Der Fahrer war seit mehreren Jahren beschäftigt und hatte selber in gutem Glauben gehandelt, dass er sich etwas von dem Brotaufstrich nehmen könnte, das Brötchen selber hatte er schließlich gekauft.
Der dem Arbeitgeber entstandene Schaden war quasi nicht nachweisbar, auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Fahrer sein falsches Verhalten nach einer Abmahnung wiederholt.
Die Kassiererin und der vergessene Pfandbon
Der zweite hier vorgestellte Fall ist der einer Kassiererin in einem Supermarkt, welche den Kunden an der Kasse die am Flaschenautomaten ausgestellten Pfandbons gegen Bargeld eintauschte.
Zwei liegengebliebene Pfandbons übergab sie zunächst Ihrem Filialleiter, nachdem dieser die Pfandbons jedoch auch liegenließ, tauschte sie die Bons im Wert von 42 Cent und 82 Cent bei einem Einkauf für sich ein.
Der Filialleiter erkannte die Bons und auch sie erhielt prompt die Kündigung wegen Diebstahl. Auch hier zog die Kassiererin vor Gericht und bekam Recht.
Nach insgesamt 12 Jahren beanstandungsfreier Tätigkeit im Supermarkt ist auch hier die fristlose Kündigung wegen eines geringen entstandenen Schadens überzogen.
Auch ist von einem einmaligen Ausrutscher auszugehen, eine Abmahnung wäre zur Vermeidung weiteren Fehlverhaltens ausreichend gewesen.
Die Gesetzeslage und die Auslegung
Dass es sich hierbei um Ausnahmen handelt, macht deutlich, dass das grundsätzliche Recht einen Mitarbeiter, der seinen Arbeitgeber bestiehlt fristlos gekündigt werden kann, natürlich besteht.
Handelt es sich also nicht nur um einen Bagatelldiebstahl, ist der Mitarbeiter nicht bereits jahrelanger zuverlässiger Mitarbeiter oder bestehen Gründe, die dafür sprechen, dass es sich nicht bloß um einen Ausrutscher handelt, so ist die Gesetzeslage eindeutig: Die fristlose Kündigung ist zulässig.
Die rechtliche Grundlage für die fristlose Kündigung bei schwerer Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten findet man im §626 des Bürgerlichen Gesetzbuches.
Diebstahl ist eine sehr schwere Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten und zieht als Konsequenz nach wie vor die fristlose Kündigung nach sich.
Ausnahmefälle
Das die Gerichte in Ausnahmefällen anders geurteilt haben liegt in der Beschaffenheit dieser Fälle, bei denen man tatsächlich von Bagatellen sprechen kann und bei denen die Entziehung der Lebensgrundlage, was eine fristlose Kündigung nun schlicht und einfach ist, als unverhältnismäßig ansehen kann.
Die Ausnahmen im Überblick
Die Ausnahmen des Grundsatzes des Rechtes zur fristlosen Kündigung wegen Diebstahl sehen also wie folgt aus:
- Der dem Arbeitgeber durch den Arbeitnehmer entstandene Schaden bewegt sich im Bereich einiger Cent oder ist gar nicht nachweisbar (Bagatelldiebstahl)
- Der Mitarbeiter war lange Zeit beanstandungsfrei beschäftigt
- Es ist bezogen auf das Gesamtverhalten des Arbeitnehmers von einem Ausrutscher auszugehen
Es müssen ALLE Punkte erfüllt sein.
Video: Diebstahl am Arbeitsplatz
Fazit – die fristlose Kündigung wegen Diebstahl ist grundsätzlich rechtens
Ein Diebstahl am Arbeitsplatz ist eine schwere Pflichtverletzung und führt nach wie vor zur fristlosen Kündigung, dies wird durch § 626 BGB unterstützt. Unverhältnismäßig wird sie nur bei langjährigen, zuverlässigen Mitarbeitern, deren Vergehen einen geringen Schaden verursacht hat und bei denen aufgrund des Gesamtverhaltens davon auszugehen ist, dass sich das Fehlverhalten nach einer Abmahnung nicht wiederholt.
Wer unsicher ist, ob eine fristlose Kündigung aufgrund eines Diebstahls zulässig ist, kann entweder auch eine fristgerechte Kündigung aussprechen, die jederzeit zulässig ist und keiner Begründung bedarf oder sich auf andere in der Person des Mitarbeiters liegende Gründe, beispielsweise mangelnde Zuverlässigkeit, beziehen.
Dann kann auch bei einem Bagatelldiebstahl die fristlose Kündigung ausgesprochen und vor Gericht als solche vertreten werden.
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